Kryo-Präparation

Wassertropfen auf hydrophober Oberfläche nach Kryo-Bruch
Warum Kryo-Mikroskopie?

Für die Untersuchung in einem herkömmlichen Rasterelektronenmikroskop (REM) müssen die Proben vakuumbeständig sein. Deshalb müssen feuchte Proben durch mehr oder weniger aufwändige Präparationstechniken (Gefriertrocknen, Kritisch-Punkt-Trocknen, chem Fixieren) entwässert werden.
Die Kryo-Präparation geht den umgekehrten Weg. Es wird nicht versucht, die Feuchtigkeit (bzw. das flüssige Wasser) in der Probe zu beseitigen, sondern sie vakuumtauglich zu fixieren.
Für die Untersuchungen in diesem Projekt ist dieses Verfahren besonders geeignet, da es auf die Darstellung der Salzlösungen im Porenraum ankommt.

Präparation

Das wichtigste Ziel bei der Kryo-Präparation ist die möglichst artefaktfreie Fixierung der in der Probe enthaltenen Feuchtigkeit bzw. Lösung.
Beim normalen langsamen Einfrieren einer wasserhaltigen Lösung bilden sich Eiskristalle, die aufgrund der Anomalie des Wassers einen größeren Raumanspruch haben und zu Strukturzerstörungen infolge von Frostsprengungen führen.
Erhöht man die Abkühlgeschwindigkeit auf über 1000°C/s friert das Wasser glasig-amorph ein, wobei sich die Form der Flüssigkeit nicht verändert. Auf diese Weise gelang z.B. das obenstehende Bild eines Wassertropfen auf einer hydrophoben Oberfläche. Das funktioniert auch bei Salzlösungen, wobei allerdings noch nicht eindeutig geklärte Entmischungsprozesse während der Abkühlung auftreten, ohne dass eine Eisbildung auftritt.
Um derartig hohe Abkühlraten zu erzielen, muss das Probenvolumen so klein wie möglich gewählt werden, kleiner als 0,5 cm³ hat sich in der Praxis bewährt. Die Probe wird auf einem speziellen Probenhalter mit einem hochviskosen Kaltkleber, der beim späteren Einfrieren fest wird, montiert.

Bei Unterdruck wird der flüssige Stiffstoff fest, und es bildet sich Stickstoff-"Schnee"

Die Transfereinheit mit Cryo-Tisch (links) wird im Betrieb anstatt des normalen REM-Tisches an die Probenkammer der Mikroskops (rechts) gebaut. Wahrend der Untersuchung wird dabei der Cryo-Tisch mit flüssigen Stickstoff gekühlt.
Als Abkühlmedium wird schmelzender Stickstoff (sog. Slush-N2) verwendet. Flüssiger Stickstoff hat eine Temperatur von -196°C. Evakuiert man den flüssigen Stickstoff in einem Rezipienten, verdampft ein Teil und entzieht der zurückbleibenden Flüssigkeit die Verdampfungswärme. Bei Unterschreiten der Schmelztemperatur von -210°C wird der Stickstoff fest und bildet kristallinen Stickstoff-Schnee. Beim Belüften des Rezipienten wird ein Teil des Stickstoff-Schnees sofort wieder flüssig, es bleiben aber feste Stickstoffkristalle in der Flüssigkeit zurück. Führt man dieser Flüssigkeit nun Wärme zu, z.B. in Form der einzufrierenden Probe, wird diese Energie zunächst dazu benutzt, die noch festen Stickstoffanteile in der Lösung zu schmelzen. Somit wird das sog. Leidenfrost'sche Phänomen der Dampfhautbildung um den 'heißen' Probenkörper vermindert. (Wir kennen das Leidenfrost'sche Phänomen als tanzenden Wassertropfen auf der heißen Herdplatte!). Somit wird die Wärmeabfuhr nicht durch die Bildung einer Gashaut behindert, wodurch die angestrebten Abkühlraten der Probe erreicht werden.
Die weitere Handhabung der Probe erfolgt weitestgehend unter flüssigem Stickstoff. Dabei können frische Bruchflächen erzeugt werden, die den Blick in das ungestörte Innere der Probe freigeben.
Der kritischste Moment ist das Überführen der so präparierten Probe in die Transferkammer des Mikroskops. Dabei gelangt die Probe für wenige Sekunden an die Laborluft, wodurch eine mehr oder minder starke Bereifung der Probenoberfläche stattfindet. Dieser Rauhreif muß dann später durch Erhöhung der Probentemperatur auf ca. -80°C von der Probe sublimiert werden.
Allerdings ist auch das Erzeugen eines frischen Bruches der Probe in der Transferkammer unter Vakuum denkbar.

Kryo-Einrichtung im/am Mikroskop

Die eingesetzte Kryo-Einrichtung besteht im wesentlichen aus zwei Teilen, der Präparations- bzw. Transferkammer und des Kühltisches des Mikroskops.
Die Präparationskammer befindet sich außerhalb der Mikroskopsäule und besitzt ein unabhängiges Hoch-Vakuumsystem, das aus einer Turbomolekularpumpe und einer Vorpumpe besteht. Im Inneren der Kammer befindet sich der Probenhalter, der über einen Stickstoff durchflossenen Kupferblock gekühlt wird. Die Temperatur wird laufend über ein Thermoelement kontrolliert. Mit eine Regelautomatik bestehend aus einer Durchflußregelung und einer zusätzlicher Widerstandsheizung kann die Temperatur im Bereich von -150°C und +50°C variiert oder konstant gehalten werden.
Mit einer eingebauten Sputter- bzw. Verdampfungsanlage kann die Probenoberfläche leitfähig beschichtet werden. Wenn möglich wird hierfür die Kohleverdampfung benutzt, weil dadurch weniger störende Effekte auf der Oberfläche erzeugt werden, als z.B. bei der Besputterung mit Platin.

Nachdem die Präparation abgeschlossen ist, wird die Probe durch eine Schleuse mit einem Transfermanipulator auf den den Kühltisch des Mikroskops im Inneren des REM geschoben. Auch dieser Kühltisch ist wie die Transferkammer (aber unabhängig davon) in einem Temerpaturbereich von -150°C bis +50°C regelbar.

Beispiele von kryo-fixierten Proben

Wasser in porösen Baustoffen
Die Feuchtigkeit in den Mauern vieler Gebäude kann sehr größe Schäden anrichten. Den Transportprozessen im Porensystem des Baustoffs kommt dabei eine große Bedeutung zu.
Mit Hilfe der Kryo-Mikroskopie kann das kapillar transportierte Wasser direkt sichtbar gemacht werden. Deutlich ist auf der mikroskopischen Aufnahme der Bruchfläche eines Württemberger Sandsteins das Porenwasser als dunkler, die Porenwände benetzender Film erkennbar. Kleinere Poren sind z.T. gefüllt. Tonminerale sind vollständig wasser-getränkt und unter dem Wasserfilm kaum zu erkennen.
Salze im Mauerwerk
Mit Hilfe der Kryo-Mikroskopie war es erstmals möglich die Salze im und auf dem Mauerwerk zu fixieren und abzubilden, ohne sie zu trocknen. Auf der Abbildung ist der Querbruch eines Ziegels zu erkennen (Oberfläche oben). Deutlich sieht man die NaCl-Kruste mit ihren hellen rundlichen (angelösten) Strukturen auf er Oberfläche. Die dunklen Bereiche zwischen den Kristallen bestehen aus gesättigter NaCl-Lösung.
Hydratation von Frischbeton
Bei der Untersuchung des Abbinde- und Erstarrungsverhaltens von Zementliem und Mörtel leistet die Kryo-Mikroskopie wertvolle Hilfe. Da gerade in den ersten Stunden nach Anmachen die wichtigsten Reaktionen ablaufen (Ettringitbildung, CSH-Phasen), sind Abbildungen dieser Vorgänge besonders interessant.
Die Aufnahme zeigt die frische Bruchfläche eines Zementleims (CEM 32,5) mit 10M-% Steinkohlenflugasche-Zusatz ca. 30 min. nach dem Anmachen. Durch Gefrierätzen der Oberfläche (Sublimieren der obersten Wasserschicht), wurden die frühen Ettringitbildungen auf einer Flugaschekugel und den Klinkerphasen sichtbar.
Stuck-Gips
Die Erstarrungszeit von Stuck-Gips liegt bei ca. 10 min.
Mit Hilfe der Kryo-Mikroskopie ist der Erstarrungsprozess nachvollziehbar. Die Frühfestigkeit wird durch die Verzahnung schnell wachsender Gips-Kristalle erreicht. Aber auch nach 60 min. ist noch eine große Menge Porenlösung vorhanden, aus der feine Gipskristalle auskristallisieren.
Die Aufnahme zeigt feinkristallinen Gips, der aus einer übersättigten Lösung (dunkler See) herauswächst.
Biologische Präparate
Aufgrund des hohen Wassergehaltes (> 90%) sind biologische Präparate besonders schwer zu fixieren. Häufig verlieren sie Ihre Form, da gerade das Wasser als strukturerhaltendes Element eine wichtige Rolle spielt.
Genau dieser Nachteil wird bei der Kryö-Präparation vermieden, da die Feuchtigkeit in der Probe in ihrer ursprünglichen Form erhalten bleibt.
Die REM-Aufnahme zeigt Algen, deren innere Zellstruktur teilweise durch den Gefrierbruch freigelegt ist. Das gefrorene Cytoplasma, das sich von der Zellwandmembran gelöst hat, und der Zellkern ist deutlich zu erkennen.
Paraffin-Kristalle in Diesel
Ein Problem des Dieselkraftstoffes ist das Auskristallisieren von Paraffin im Winter bei tiefen Temperaturen. Durch Einsatz von Additiven soll verhindert werden, das die Kristalle nicht zu groß werden und dann den Kraftstofffilter verstopfen.
Um die Wirksamkeit verschiedener Additive zu testen, wurden Dieselproben definiert bis auf ca. -25°C abgekühlt, der entstandene Paraffin-Bodensatz abgefiltert und anschließend im Kryo-REM untersucht.
Wie auf der Aufnahme zu sehen, haben sich maximal 50 µm große plättchenförmige Kristalle gebildet. Bei anderen Additiven können sich auch Kegel- oder Zylinderformen bilden. Ohne Additive erreichen die Paraffin-Kristalle mindestens die hundertfache Größe.

Ansprechpartner: Herbert Juling