Zusammenfassung des erreichten Forschungsstandes mit Ablauf des ersten Untersuchungszeitraumes
Anhand der vornehmlich untersuchten Substrat-Salz-Kombination "Glasfritte + Magnesiumsulfat" können die bisherigen Projektergebnisse, soweit sie derzeit für die Modellbildung relevant sind, gut zusammenfassend dargestellt werden. Eine ausführlichere Darstellung der in den einzelnen Teilprojekten durchgeführten Untersuchungen und Forschungsergebnisse findet sich in den Arbeitsberichten der vier beteiligten Institute.

Phasendiagramm MgSO4
Magnesiumsulfat ist bekanntermaßen ein bei Sprengversuchen sehr wirksames Salz. Im Phasendiagramm der Ausgleichsfeuchten (Abb. rechts) zeigen sich mehrere für experimentelle Untersuchungen geeignete Phasenübergänge. Das Hochhydrat Epsomit MgSO4·7H2O entsteht schon bei hohen relativen Luftfeuchten aus der Lösung. Abhängig von der Temperatur entstehen bei Trocknung die niedrigeren Hydratstufen Hexahydrit MgSO4·6H2O und Kieserit MgSO4·1H2O, wobei allerdings auch mehrere metastabile Phasen bekannt sind. Die niedrigste Hydratstufe Kieserit beansprucht dabei nur ca. ein Drittel des Volumens von Epsomit. Daraus ergibt sich theoretisch ein hohes Schädigungspotential, sowohl grundsätzlich durch die Kristallisation als auch den Übergang von einer niedrigen in eine höhere Hydratstufe.

In Dilatationsmessungen am DBM in Bochum wurden die Dehnungsverläufe von Glasfritten, die mit 10%iger Magnesiumsulfatlösung getränkt wurden, während verschiedener Kristallisationsvorgänge untersucht. Bei den ersten Versuchen im Dilatationsmessstand wurde klar, dass die bisherigen in der Literatur beschriebenen Messungen von salzinduzierten Dehnungen, die meist recht hoch ausgefallen sind, hinsichtlich der Versuchsdurchführungen kritisch betrachtet werden müssen. Die im vorliegenden Vorhaben bei sehr sorgfältiger Versuchsführung ermittelten Dehnungen betrugen nur ca. 0.01% der Probenlänge (Dehnung im µm-Bereich bei 4 cm Probenlänge).Die um Größenordnungen höheren Dehnungen, die zu Beginn des Vorhabens mit hygroskopischen Salzen registriert wurden, waren weitgehend auf Ausblühungen zwischen Probenoberfläche und Messaufnehmer zurückzuführen, und nicht auf eine tatsächliche Dehnung des Gefüges. Ähnliche Effekte werden daher von den Autoren auch für Messungen anderer vermutet, wenn in diesen Arbeiten sehr viel größere Dehnungen beschrieben werden. Im vorliegenden Vorhaben wurde dieser unerwünschte "Rand"effekt vorerst durch Änderung der Versuchsbedingungen und dadurch erzeugter Verlagerung des Verdunstungshorizontes in das Material hinein hinreichend minimiert.
Gleichwohl waren die dann gewonnenen Ergebnisse z.T. überraschend und wurden kontrovers diskutiert. Eine abschließende, in allen Punkten zufriedenstellende Modellerklärung ist noch nicht möglich. Jedoch sind einzelne Aspekte sowohl hinsichtlich der thermodynamischen Überlegungen als auch der mikroskopischen Beobachtungen erklärbar, was beispielhaft anhand einer Dehnungsmessung in der nachstehenden Grafik erläutert wird. Eine mit 10%iger Magnesiumsulfat beaufschlgte Glasfritte wurde im Dilatometer in Stufen auf 80°C aufgeheizt:

Durch die Beaufschlagung mit der Salzlösung füllt sich der Porenraum wegen der hohen kapillaren Saugkräfte des Materials sehr schnell und nahezu vollständig. Durch Erhöhung der Temperatur im Messraum stellt sich zuerst eine Wärmedehnung des Materials ein. Mit einsetzender Wasserverdunstung wirkt der Entzug der Verdampfungswärme diesem Prozess entgegen und verlangsamt die Wärmedehnung. Die Salzlösung konzentriert sich immer weiter auf und führt sehr schnell zur Kristallisation vermutlich des Hochhydrats Epsomit, was zu einer Erhöhung der Dehnung führt, die aber im Kurvenverlauf kaum von der Wär-medehnung zu trennen ist.

In den kryomikroskopischen Untersuchungen am IWT Bremen konnte deutlich erkennbar festgestellt werden, dass das Wachstum der Epsomitkristalle an den Porenwänden beginnt und schließlich den gesamten Porenraum ausfüllt. Bei weiterer Erhöhung der Temperatur, d.h. weiterer Trocknung der Probe, dehydratisiert das Hochhydrat unter Bildung von Trockenrissen. Mikroskopisch konnte nachgewiesen werden, dass sich in dieser Phase das Volumen des Salzes verringert, und an den Korngrenzen der Hochhydrat-Kristalle Risse entstehen. Die Gesamtdehnung der Probe geht messbar zurück. Dieser Vorgang ist besonders augenfällig, da er eine gegenläufige Reaktion zur Temperaturdehnung darstellt.

Dies konnte auch in den ersten erfolgreichen interferometrischen Verformungsmessungen der AOP Oldenburg verifiziert werden, die in jüngster Zeit durchgeführt werden konnten. Die in den Dilatationsversuchen integral gemessenen Dehnungen konnten nun auch mit dem ESPI-Verfahren erfasst werden, und nun erstmalig ortsaufgelöst während eines Hydratisierungszyklus. Die Qualität der Messergebnisse muss allerdings in Wiederholungsmessungen noch verbessert werden, um hochgenau die beginnende Phasenumwandlung identifizieren zu können und damit die Zeitpunkte einer gezielten Visualisierung unter Kryo-Fixierung festlegen zu können.

Nach Abschluss dieser Hydratation wird an der Probe bei weiterer Erhöhung der Temperatur nur noch Wärmedehnung gemessen. Nach Beendigung der Belastung (Abkühlen auf Raumtemperatur und vollständige Trocknung) geht die Gesamtdehnung nahezu auf den Ausgangswert zurück, es ist also noch keine Schädigung der Probe aufgetreten. Das getrocknete Salz im Porenraum stellt sich im mikroskopischen Bild als von feinen Rissen durchzogene Salzmasse dar, die eine außerordentlich große Innenoberfläche bildet. Bei erneuter Befeuchtung mit Wasser wird durch Anlösung dieser großen Oberfläche sehr schnell eine hinsichtlich des Hochhydrats übersättigte Lösung entstehen, die zur Epsomit-Kristallisation mit hohem Platzbedarf führen muss. Dieser Prozess konnte in den Dilatationsmessungen und in kryo-mikroskopischen Befeuchtungsversuchen grundsätzlich nachvollzogen werden und nährt daher die These, dass ein großes Schadenspotential in der Umkristallisation aus einer übersättigten Lösung liegt.

Bei Messungen mit Hilfe der feuchtekontrollierten Röntgendiffraktometrie am IAAC Hamburg konnten erste Ergebnisse erarbeitet werden, die darauf hinweisen, dass die Kinetik der Phasenumwandlungsprozesse von der Größenverteilung des Porenraumes beeinflusst wird. Bisher abgeschlossen sind Messungen zur Kinetik der Deliqueszenz von Natriumchlorid, bei denen eine Beschleunigung der Deliqueszenzreaktion mit abnehmender Porengröße festgestellt wurde.

Aus den bisherigen Ergebnissen wird klar, dass die gewählte Vorgehensweise der systematischen Kombination integraler Messmethoden (hier Dilatationsmessungen) bis hin zur mikroskopischen Betrachtung (Verformungsmessungen und Abbildung mikroskopischer Bereiche) an möglichst einfachen Modellsystemen der einzige Weg zum vollständigen Verständnis sein kann. Makroskopisch beobachtete oder gemessene Veränderungen werden immer ihre Ursache in komplexen mikroskopischen Prozessen haben, wobei die Gegebenheiten des Porenraums einen entscheidenden Einfluss haben werden. Die Projektpartner sind mit der erarbeiteten Vorgehensweise in der Lage, die grundsätzlichen Vorgänge der Phasenumwandlungsprozesse in Modellprüfkörpern zu messen, mikroskopisch darzustellen und mit den thermodynamischen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Trotzdem bleiben zum Gesamtmodell noch etliche ungeklärte Fragen, die im weiteren Förderzeitraum erforscht werden sollen.